Archiv der Kategorie: Bibliothek: Strategie

Ein Besuch im Oodi Helsinki – der besten Bibliothek der Welt 2019

Im Dezember 2018 wurde das Oodi eröffnet, Helsinkis neue Bibliotheksniederlassung im Zentrum der Stadt. Tatsächlich handelt es sich nicht um die neue Zentralbibliothek, sondern eher um eine „Flaggschiff-Filiale“, in der die finnischen Kolleg/innen ihre gemeinsam mit den Bürger/innen erarbeitete Vision für die Bibliothek der Zukunft realisiert haben. Nun hatte ich auch persönlich die Gelegenheit, mir im Rahmen eines Kurzbesuches das Haus anzuschauen – und das zufälligerweise an genau dem Tag, an dem das Oodi von der IFLA und dem Sponsor „Systematic“ zu besten Bibliothek der Welt gekürt wurde.

Vorweg: Alles Wissenswerte hat bereits die Kollegin Beate Detlefs hervorragend in einem Fachartikel im „Forum Buch und Bibliothek“ zusammengefasst, der hier zum Einsehen bereitsteht.

Im Vergleich mit dem ebenfalls wegweisenden DOKK1 in Aarhus verfolgt das Oodi (auf Deutsch „Ode“ wie Beethovens „Ode an die Freude“) ein anderes Konzept der Raumgliederung: Während im dänischen Vorzeigeprojekt Bereiche wie Makerspaces, Lernplätze und Medien räumlich ineinander geschachtelt sind, trennt das Oodi diese Funktionen relativ deutlich voneinander: Im Erdgeschoss empfangen Desks mit Helsinki-, Europa- und Bibliotheksinformation, ein Caféteria-Restaurant, ein Kino, eine Showküche und ein kleiner Kinderspielbereich die Besuchenden. Besonders berührt hat mich die Tatsache, dass der große Veranstaltungsraum im Erdgeschoss die Bezeichnung „Maijansali“ trägt und somit der vormaligen Bibliotheksleiterin Maija Berndtson gewidmet ist, die zu den wichtigen Wegbereiterinnen des Hauses gehört.

Das erste Stockwerk ist als „Urban Workspace“ ausschließlich Themen wie Makerspace, Gaming, Aufenthalt, Lern-und Musikstudios sowie Gruppenräumen gewidmet. Der Fokus ist hier auf Kreativität, Begegnung, Schaffen und Spielen gerichtet – unter anderem findet das auf ebener Fläche, in zahlreichen Einzel- und Gruppenräumen sowie einer großen Treppenlandschaft statt, aber auch ein stiller „Reading Room“ wird angeboten. Gelesen wird dort allerdings vorwiegend auf Bildschirmen, ganz ähnlich wie im sich anschließenden Lern- und Loungebereich mit vertikalem, grünen „Innengarten“. Besonders beeindruckt haben mich die diversen Tonstudios, in denen man nicht nur digitales Musikrecording betreiben kann, sondern unter denen sich auch ein echter und voll ausgestatteter Gruppenübungsraum für Bands befindet.

Das oberste und zweite Stockwerk verfolgt am ehesten das „klassische“ Bibliotheksleitbild: Rund 100.000 Bücher in weißen, halbhohen Regalen sind auf großzügiger Fläche mit Sitzgruppen, Aufenthaltsrampen, einer sehr großen Außenterrasse und einem Kinderbereich kombiniert, der im Hintergrund auch einen Veranstaltungs- und wiederum „stillen“ Bereich bereithält.

Und die Besucher/innen? Lieben das Gebäude! Nach Auskunft meiner wunderbaren Führerin durch die Bibliothek haben in den ersten neun Monaten 2.5 Millionen Menschen das Oodi besucht. Was würden die Kolleg/innen – von denen rund zehn Prozent nicht ursprünglich aus dem bibliothekarischen Feld stammen – heute anders machen? Antworten: Die Rampen lassen sich nur schwer sauberhalten und auch der Sicherheitsaspekt ist im Kinderbereich noch ein Thema. Das von den finnischen ALA-Architekten gestaltete Gebäude scheint nicht immer so funktionsgerecht, wie es eine Bibliothek vielleicht braucht. Überwältigend an einem Sommertag: Die große Dachterrasse, auf der man direkt ein Getränk oder einen Snack genießen kann, denn im 2. Stockwerk gibt es noch eine zweite Caféteria.

Sehr erstaunt war die junge Kollegin, dass man in Deutschland Ausweisgebühren in Bibliotheken verlangt – unvorstellbar in Finnland, wo Bibliotheken auch für Demokratie und egalitären Bildungszugang stehen. Das finnische Parlament liegt gleich gegenüber und auch eine Pressekonferenz des Parlamentes wurde bereits im Oodi abgehalten. Die Politik weiß in Finnland offensichtlich genau, welche Bedeutung moderne, offene Bibliotheken haben – bei uns in Deutschland bleibt also weiterhin die Aufgabe der „Bibliotheksedukation“ seitens der Fachprofession in Richtung Entscheider bestehen (die sicher auch in Finnland nie endet). Auf meine Nachfrage hin betonte die Kollegin noch einmal, wie wichtig der Partizipationsprozess mit den Bürger*innen Helsinki im Vorfeld war: Es wurden rund zehn Ideenworkshops und eine Online-Befragung durchgeführt.

Meine Abschlussfrage: Was würde die Kollegin einer Bibliotheksleitung in Deutschland raten, die ebenfalls vor der Aufgabe einer Neu- oder Umgestaltung der Bibliothek steht? Welche Themen sollten dabei im Fokus stehen? Drei Schlagworte waren schnell und spontan genannt: Partizipation gestalten, Zugänge schaffen und die Diversität der Bürger/innen bei allen Planungen berücksichtigen! Mit diesen Themen, vielen Anregungen und nach zwei großartigen Tagen in Helsinki ging es gestern wieder zurück in Richtung Deutschland. Danke, Oodi – für dieses Bibliotheksgeschenk der Finnen an die Welt und die Inspirationen.

Link: https://www.oodihelsinki.fi/en/
Beitrag von Andreas Mittrowann

Großbritannien: Eine Bibliotheksstrategie für Bristol

Bristol ist mit rund 567.000 Einwohnern die viertgrößte Stadt Englands und liegt im Südwesten der britischen Insel. Ursprünglich stand dem Bibliothekssystem ein schwerer Schlag bevor mit geplanten 1,4 Mio. BP Kürzungen und der voraussichtlichen Schließung von 17 der 27 Filialen. Doch nun hat Bürgermeister Martin Rees sich stattdessen für eine proaktive, zukunftsorientierte Strategie entschieden: Für eine Summe von 350.000 BP soll das System einen neuen Strategieplan erhalten. Dieser soll innerhalb von sechs Monaten und unter Beteiligung der Bürgerschaft entstehen. Als Optionen stehen unter anderem „Bürgerschaflich geführte Lösungen“ (die Umwandlung bestehender Bibliothek in nebenamtlich geführte?) und „nachhaltige Gebäudenutzung“ (kombiniert genutzte Gebäude?) im Raum.

In einem Report mit weiteren Informationen heißt es u.a.: „Die Strategie wird eine Vision für die Services enthalten, Erläuterungen zur Gestaltung zukünftiger Leistungen sowie einen Entwicklungsplan, der zu einem nachhalting und stärker bürgerschaftsorientiertem Service führen soll. Bibliotheken sind bereits ein natürlicher Knotenpunkt der Kommune, der Menschen und Interessengruppen zusammenführt in einem freien und freundlich gestalteten Raum. Wir werden untersuchen, inwieweit die aktuellen Räumlichkeiten und die aktuellen Bibliotheksleistungen ergänzt werden können.“

Es erscheint folgerichtig und konsequent, ein bereits bestehendes Bibliothekssystem neu aufzustellen, um Bildungerfolge für alle Bürger*innen zu ermöglichen. Dass dies sehr häufig auch in Großbritannien von Erfolg gekrönt ist, zeigt unter anderem dieser Bericht aus dem vergangenen Jahr: https://www.artscouncil.org.uk/case-studies/new-and-refurbished-libraries-attract-increased-numbers-visitors

Link:
https://www.bristolpost.co.uk/news/bristol-news/bristol-central-library-location-considered-2041569.amp

Mehr Raum, mehr Licht, mehr Interaktion: neue Bibliotheksfilialen in Boston und Philadelphia

Das Finanzierungssystem öffentlicher Bibliotheken in den USA unterscheidet sich grundlegend vom dem in Deutschland – durch Abstimmungen der Bürger*innen über eine entsprechende Erhöhung der Grundsteuer können insbesondere in Großstädten oft Renovierungsumfänge und -zyklen realisiert werden, die aus europäischer Sicht eher ungewöhnlich sind. Ende der 90er Jahre besuchte ich mit einem Team eine Reihe von Zweigstellen im King County im Staat Washington. Bei einer der Filialen hieß es dann bei der Ankunft „This is our oldest one“. „How old is it?“ fragten wir. „Already seven years old“, so die Antwort.

Typisch für die USA sind daher immer wieder großangelegte Renovierungsprojekte in diesem Bereich, so auch momentan in Boston und Phildadelphia. Aktuell wird beispielsweise die Dudley Branch der Boston Public Library für 14,7 Mio. US-Dollar renoviert. Eine  offene und transparente Innenraumgestaltung mit mehr Möglichkeiten für die menschliche Interaktion soll die brutalistische Archtektur der späten 70er Jahre ablösen. Kernelemente werden ein Ernährungslabor, ein Multifunktionsraum mit audiovisueller Technologie sowie eine afrikanisch-amerikanische Mediensammlung sein: https://www.bostonglobe.com/metro/2017/10/21/dudley-library-branch-kicks-off-million-renovation/4seOgwCuvDIHcTgGQhP96N/story.html

Eine ähnliche Ausrichtung mit einem noch deutlich größeren Umfang hat die Renovierung von vier Zweigstellen in Philadelphia. Hier wird die Notwendigkeit einer grundlegenden Neupositionierung des Bibliothekssystems besonders deutlich bei einem Blick auf die Besucherzahlen: Diese sind von 13,8 Millionen im Jahr 2014 auf knapp zehn Millionen im Jahr 2017 gesunken. Was tun? Neben Maßnahmen zur Verbesserung der Barrierefreiheit gehört es zu den grundlegenden Zielsetzungen der Renovierung, die Transformation von einer Ausleihstation hin zu einem Treffpunkt in der Kommune zu gestalten. Auch hat man sich bei der Innenraumgestaltung stark an Firmen wie Apple oder  der Optikerkette Warby Parker orientiert. Ergebnis: Die neuen Filialen sollen eher Raumerlebnisse bieten und als„Clubhäuser“ fungieren. Zu den konkreten Maßnahmen im Zuge der Umgestaltung gehörten:

  • Stringente Anwendung der Prinzipien des Universal Design (http://universaldesign.ie/What-is-Universal-Design);
  • Schaffung einer Wohnzimmeratmosphäre durch Sitzgruppen und -ecken mit Cafeteria-Tischen;
  • leuchtende Farben;
  • Mehr Studien- und Gruppenräume;
  • Deutliche Reduzierung der Bestände und Regale;
  • Verlegung der Eingänge und Einsatz von mehr Fenstern und Glaselementen;
  • Einführung von Selbstverbuchung und Abschaffung der Ausleihtheken;
  • Verstärkung der Programmaktivitäten, bspw. Filmnächte, Gaming, Englischklassen für Menschen mit Zuwanderungsgeschichte.

Der finanzielle Aufwand für die Renovierung lag bei 28 Mio. Dollar, von denen 15 Mio. von der William Penn Foundation übernommen wurden. Bibliotheksdirektorin Siobhan Reardon – die im vorvergangenen Jahr die Auszeichnung „Librarian of the Year“ erhielt – zeigt sich sehr zufrieden mit den ersten Erfolgen. So konnte die im vergangenen Jahr nach der Renovierung neu eröffnete South Philadelphia Branch ihre Besucherzahl vervierfachen, auch durch die Kombination mit einem Gesundheitscenter. Die Zentrale der Free Philadelphia Public Library hat bereits im Jahr 2014 durch die Neueröffnung eines  Kochzentrums von sich reden gemacht.

http://www.philly.com/philly/columnists/inga_saffron/philly-free-library-modernizes-branches-elevators-reading-rooms-20171122.html

 

Beitrag von Andreas Mittrowann

Mini-Porträt: Die Skokie Public Library stellt sich dem Wandel 

Nordöstlich von Chicago in den USA befindet sich die Stadt Skokie mit rund 67.000 Einwohnern, die seit den 1950er Jahren besonders von Zuzügen aus Chicago profitiert. Die Stadtbibliothek vor Ort wurde 1929 gegründet. 2003 erhielt die frühere Leiterin Carolyn Anthony die Auszeichnung „Bibliothekarin des Jahres“ der Illinois Library Association, 2013 bis 2014 wurde sie zur Präsidentin der Public Library Association gewählt. 2014 zählte die Bibliothek mit 5 Sternen zur Spitzengruppe im nationalen Bibliotheksranking.

So weit, so gut. Besonders interessant wird es allerdings, wenn wir einen Blick auf die Mitarbeiterseite im Internet werfen, denn hier zeigt sich, wie offen und innovativ die Bibliothek mit dem Wandel umgeht. Auf der Seite http://bit.ly/2gcvJwp lernen wir, dass die Bibliothek unter anderem über eine „Communications and Marketing Managerin“, eine „Community Engagement Managerin“, einen „Learning Experiences Manager“ sowie einen „Virtual Community Engagement Manager“ verfügt. Dass dies nicht einfach nur leere Worthülsen sind, sondern klare Indizien für eine zukunftsgerichtete Aufstellung, zeigt auch das Blog der Bibliothek. Dort stehen neben dem Bestand vor allen Dingen die Programmarbeit und die Zielgruppen im Vordergrund: Neben Veranstaltungen zu Inklusion und Migration finden wir Programme zu Online-Ressourcen und zu STEAM (Science, Technology, Engineering, Arts & Design) oder Events im Bereich „BOOMBox“, einer neuartigen, interaktiven Zone in der Bibliothek. Und natürlich fehlen auch klassische Aktivitäten wie ein Sommerleseclub nicht. Für ihr Engagement in der Programmarbeit und damit einem der wichtigsten zukünftigen Bereiche in der Bibliotheksarbeit erhielt die Bibliothek 2016 den ALA Excellence in Library Programming Award.

Der verstärkte Fokus hin zur Kommune und den in ihr lebenden Menschen, der sich in der Bezeichnung „Community Manager“ ausdrückt, macht vor dem Hintergrund der zurückgehenden (nicht: verschwindenden) Bedeutung des Bestandes besonders viel Sinn, wenn man sich die Ergebnisse der australischen Studie „Victorian Public Libraries: Our Future, Our Skills“ vergegenwärtigt. Dort wurden 2013 mehr als 1400 Bibliotheksmitarbeiterinnen des Public Libraries Victoria Network zu ihren erforderlichen zukünftigen Kompetenzen interviewt. Befragt nach der wichtigsten professionellen Fähigkeit in fünf Jahren, platzierten die meisten Mitarbeiterinnen das Thema „Community needs analysis“ auf Platz eins, direkt gefolgt von „Community engagement“ auf Platz 2 mit mehr als 60 Prozent Zustimmung der Mitarbeiter*innen und knapp 90 Prozent Zustimmung der Leiter*innen.

Auch hinter dem Thema „Marketing“ verbirgt sich ein ernsthafter Anspruch seitens der Skokie Public Library: So berichtet die Professorin Lisa Hinchcliffe auf Twitter, dass die Bibliothek bereits seit 2006 ihre Kundenbindung mit Direct Mailings stärkt und dieses Werkzeug bereits früh den Erfordernissen der Smartphone-Ära angepasst hat – so werden aktuell bis zu 70 Prozent der Mailings auf mobilen Geräten geöffnet.

Link: http://bit.ly/2ify7qv
Link: https://skokielibrary.info

Beitrag von Andreas Mittrowann

Die Bibliothek als Labor

In einer zunehmend komplexer werdenden Welt gibt es im Zuge der Digitalisierung viele Entwicklungen, die nur die wenigsten Bürger noch überschauen können. Nimmt man den Auftrag der Bibliothek als Wissenvermittlerin ernst, kann man aus dieser Situation eine Vielfalt von Angeboten ableiten. Die State Library of Queensland in Australien präsentiert jedes Jahr einen inhaltlichen Schwerpunkt für die Bürger*innen und hat sich in diesem Jahr für das Thema „Digitale Zukunft“ entschieden. Dazu gehört als besonderer Schwerpunkt auch ein „Digitales Zukunftslabor 2.0“. Zu seinen Bestandteilen zählen eine interaktive Ausstellung, digitale Games, Mode von morgen und tragbare Technologie, ein Drohnensimulator sowie viele weitere Möglichkeiten speziell für Familien und Kinder: http://www.slq.qld.gov.au/whats-on/events/digital-futures

Damit steht die Bibliothek in Queensland für einen weltweiten Trend: Die Bibliothek als Labor. Die kanadische Vancouver Public Library nennt es „Inspirational Lab“ mit der Möglichkeit zu digitalen Tonaufnahmen, Digitalisierung oder E-Book-Erstellung: https://www.vpl.ca/inspirationlab. Die Madison Public Library in Wisconsin (USA) nennt ihr Labor „Bubbler“ und dort beinhaltet es Möglichkeiten für Trickfilmanimationen, 3D-Design, Videoerstellung mit „Green Screens“ und grafischem Design: http://madisonbubbler.org/media-lab/.

Da ist es eine tolle Nachricht, dass auch die Düsseldorfer Stadtbüchereien nun ihr eigenen „Library Lab“ eröffnen werden. Hier umfasst die Palette unter anderem Virtual Reality, Gaming, Digitales Leben, 3D-Druck und die weiteren Online-Angebote der Bibliothek. Der Start wird natürlich mit einer vielseitigen Eröffnungswoche gefeiert, die am 14. Oktober um 11:00 Uhr beginnt – alle Interessierten sind herzlich eingeladen!

Link: https://www.duesseldorf.de/stadtbuechereien/bibliotheken/librarylab.html

Beitrag von Andreas Mittrowann

Partizipation in den USA: Wie Bibliotheken Bürger*innen einbeziehen

Es ist immer wieder erstaunlich, wie selten Bürgerinnen und Bürger in strategische Planungen oder die Schaffung neuer Services in der Bibliothek einbezogen werden. Gerade vor dem Hintergrund der extremen Dynamik in der digitalen Welt erscheint es mehr denn je notwendig, die „Weisheit der Vielen“ für die Bibliotheksentwicklung zu nutzen.

Drei aktuelle Beispiele aus den USA zeigen, wie es auch bereits im kleinen Maßstab gehen kann:

  • Die Peter White Public Library in Marquette (rund 20.000 Einwohner, Michigan) hat mit der Aktualisierung ihres Strategieplans begonnen und rief die Bürger*innen zur Mitgestaltung im Rahmen von drei Fokusgruppen-Sessions im Juni auf. Interessierte konnten sich über die Website der Bibliothek und eine Telefonnummer informieren. Als positives Ergebnis einer entsprechenden Initiative zum Strategieplan des Jahres 2006 wird die erfolgreiche Erweiterung der Services für Teenager in den Bereichen Medien, Personal und Einrichtung genannt.
  • Die Beverly Public Library (rund 40.000. Einwohner, Massachusetts) hat einen anderen Weg gewählt: Sie nutzt als Beteiligungsinstrument eine Online-Befragung der Einwohner*innen. Die Fragen umfassen dabei unter anderem die Häufigkeit der Bibliotheksbesuche, die typischen Nutzungsformen, Gründe für die Nichtnutzung,  Bibliotheksbesuche durch eigene Kinder, die Bewertung der digitalen Dienste der Bibliothek oder die Auffindbarkeit einzelner Dienstleistungen und Bereiche.
  • Schließlich bildet die Haywood County Library in North Carolina (rund 60.000 Einwohner im County) ein drittes, interessantes Beispiel für Beteiligungsprozesse. Dort wurden umfassende Renovierungs- und Erneuerungsmaßnahmen im Wert von 6 Mio. US-Dollar vom Gemeinderat abgelehnt. County Manager Ira Dove will aber nicht aufgeben und stattdessen einen strategischen Bibliotheksplan mit Bürgerbeteiligung auf den Weg bringen, um das Projekt doch noch zum Erfolg zu führen. Grundlage dafür soll unter anderem eine Bürgerbefragung aus dem vergangenen Jahr sein. Auf den ersten fünf Plätzen der Einwohner*innen standen demnach ein größerer Medienbestand (54 Prozent), erweiterte Öffnungszeiten (42 Prozent), mehr Veranstaltungen für Erwachsene (27 Prozent), zusätzliche Flächen zur stillen Nutzung und zum Lernen (25 Prozent) und eine bessere technologische Ausstattung. Auch in Haywood waren die Bürger*innen eingeladen, im Rahmen öffentlicher Veranstaltungen Input zum aktuellen Stand des strategischen Plans zu geben und somit gemeinsam eine bürgernähere Bibliothek zu gestalten.

Natürlich sind das nur einige wenige Ausschnitte aus einer Vielzahl von Möglichkeiten, unter denen aktuell das Design Thinking for Libraries eine vermehrte Beachtung erfahren hat.

Links und Nachweise:
http://www.upmatters.com/news/local-news/peter-white-public-library-strategic-planning-focus-group-sessions/732942788

https://patch.com/massachusetts/beverly/beverly-library-surveys-residents-strategic-plan

http://beverlypubliclibrary.org/survey/

https://www.surveymonkey.com/r/HR2RN3D

http://www.smokymountainnews.com/media/pdf/HCPLStrategic.pdf

http://www.smokymountainnews.com/news/item/20146-public-input-will-guide-library-s-renovation

Beitrag von Andreas Mittrowann

USA: Zukunftsrollen für Bibliotheken

Welche Möglichkeiten sehen öffentliche Bibliotheken in Kommunen mit rund 25.000 Einwohnern für die Ausgestaltung ihrer näheren konkreten Zukunft? Zwei aktuelle Beispiele aus den USA können dafür als Beispiel dienen: Myrtle Beach ist eine Stadt im Nordosten von South Carolina mit rund 27.000 Einwohnern, Ridgewood liegt im Norden von New Jersey und hat rund 25.000 Einwohner.

Während es in Myrtle Beach bereits konkrete Planungen für eine neues Bibliotheksgebäude gibt, arbeitet man in Ridgewood noch an einer Vision, die allerdings bereits auch schon Veränderungen bei der Raumgliederung vorsieht.  Ratsmitglied Mary Jeffcoat aus Myrtle Beach äußert sich zum Paradigmenwandel in Bibliotheken und führt aus, dass moderne Bibliotheken als Treffpunkt genutzt würden, als Punkte für den freien Zugriff auf das Internet sowie Computer und als moderne Dienstleister, die natürlich nach wie vor auch einen Buchbestand anbieten würden.  Bibliotheksleiterin Jennifer Nassar fügt hinzu, dass Programme für Jugendliche und frühkindliche Leseförderung im Fokus der Arbeit stünden, aber andere, neuartige Angebote von der Rechtsberatung bis hin zu Kursen zum smarten Fahrverhalten reichen könnten.

Die Pläne in Ridgewood sind noch unbestimmter, nehmen aber einen ähnlichen Weg in Richtung „Aufenthaltsqualität“. Bibliotheksleiterin Nancy Greene sprach gemeinsam mit der Präsidentin des Bibliothekausschusses vor kommunalen Entscheidern über die von ihr bemerkten Veränderungen: Die Besucher würden die Bibliothek auf einer andere Art und Weise beanspruchen seit der letzten Renovierung im Jahr 1998: Sie blieben für einen längeren Zeitraum, um die angebotenen Technologien zu nutzen oder Konzerte, Lesungen und andere Programme zu besuchen. Aktuell würde man das Haus als zu „überfüllt“, zu dunkel und das Design als zu veraltet empfinden. Eine moderne Vision für ein neu gestaltetes Haus sei es, sich die Bibliothek als Ort vorzustellen, um eine Lesung zu hören, eine Sprache zu lernen, sich in einer Diskussionsgruppe zu engagieren, ein Projekt im lokalen Makerspace zu beginnen oder sich mit Stadtgeschichte und Familienforschung auseinanderzusetzen. Der Start für eine neue Bibliothek in Ridgewood ist auf jeden Fall gemacht und weitere, konkretisierte Präsentationen für den Rat sollen folgen.

Die entwickelten Pläne und Visionen wurden in beiden Kommunen also genutzt, um den Rat und die Bürger auf dem Weg hin zu einer neuen Bibliothek mitzunehmen und dem Vorhaben somit weiteren Schwung zu verleihen.

Beitrag und Übersetzungen von Andreas Mittrowann

Links
http://www.myrtlebeachonline.com/news/local/article129243269.html

http://www.northjersey.com/story/news/bergen/ridgewood/2017/01/26/ridgewood-library-presents-preliminary-renovation-proposal/97078726/

 

 

STEAM und STEM in öffentlichen Bibliotheken

Wissenschafts- und Technologieprojekte in Bibliotheken gewinnen weltweit immer mehr  an Bedeutung. Unter den Akronymen „STEAM“ (Science, Technology, Engineering, Art and Math) oder „STEM“ (Science, Technology, Engineering and Math) werden kontinuierlich neue Angebote eingeführt. So bieten beispielsweise drei Zweigstellen der Houston Public Library sogenannte „STEAM“-Kits für unterschiedliche Altersgruppen an. Dazu gehören Sets oder Boxen mit Mikroskopen, Teleskopen, Magneten, Exponaten zum menschlichen Körper oder Sets zur künstlerisch-handwerklichen Bildung wie Nähen, Origami oder Architektur.

Ziel dieser Projekte ist es, den Bildungsauftrag der öffentlichen Bibliotheken über das Feld der Medien hinaus auszuweiten und damit zu sichern. Einen guten Überblick über entsprechende Aktivitäten beispielsweise in Australien bietet Elisabeth Swan in ihrem Vortrag „STEM for Children in Public Libraries“, den sie im Rahmen einer Veranstaltung des Victorian Public Library Networks im Sommer 2016 hielt. Darin führt sie unter anderem aus: „My interest in STEM started when the Australian Chief Scientist issued his report Science, Technology, Engineering and Mathematics: Australia’s Future. Canberra, Australian Government, 2014 http://tinyurl.com/hy585p6

His report begins with these words:

  • The global economy is changing. New technologies and smart companies lead.
  • New industries and new sources of wealth are emerging.
  • New skills are required for workers at all levels.
  • Australians must decide whether we will be in the forefront of these changes or be left behind. We have a choice.“

Einen sehr guten Überblick zum Thema bieten auch die Quellen https://showmelibrarian.blogspot.de/p/all-things-steam.html sowie http://www.libraryasincubatorproject.org/?tag=steam

Auch auf der Tagung des bibliothekarischen Weltverbandes IFLA in Columbus/Ohio 2016 war das Thema präsent, unter anderem in diesem Vortrag: http://library.ifla.org/1360/1/080-allen-en.pdf.

Wer sich zu diesem Programmschwerpunkt öffentlicher Bibliotheken mit weltweiten Kollegen austauschen möchte, kann sich übrigens zur kommenden Konferenz „STEAM into Sydney“ anmelden, die von der Public Libraries Section der IFLA im März 2017 veranstaltet wird. Weitere Informationen dazu finden sich hier:  https://steamintosydney.wordpress.com/program.

Beitrag von Andreas Mittrowann

Die Mehrheit der US-Amerikaner hält Bibliotheken für wichtig

Drei Viertel aller Bürger gaben in einer Befragung an, dass Bibliotheken sie mit den von ihnen benötigten Ressourcen versorgen, zwei Drittel stimmten darüber hinaus der Aussage zu, dass eine Schließung der lokalen Bibliothek einen negativen Effekt auf ihre Kommune hätte.

An der Befragung des Pew Research Instituts hatten mehr als 1.600 Bürger ab 16 Jahren teilgenommen. 80 Prozent davon wünschten sich eine Beratung zu digitalen Werkzeugen wie Computern und Smartphones, 57 Prozent erwarten komfortable Bereiche zum Lesen und Arbeiten.

http://goodereader.com/blog/digital-library-news/the-majority-of-americans-think-libraries-are-important

Beitrag / Übersetzung von Andreas Mittrowann

 

„Leih‘ Dir eine Erfahrung aus“: Perspektiven auf die Bibliothek der Zukunft

Bibliotheken werden in 50 Jahren Zentren sein, die Lernen, Aufnehmen, Teilen, Kreieren und Erleben an einem Ort verbinden. Zu ihrem Angebot werden auch riesige Datenbanken gehören, mit deren Hilfe Erlebnisse und Lernerfahrungen mittels neuer Technologien „ausgeliehen“ und „nacherlebt“ werden können – sei es das Erklimmen des Mount Everest oder ein Nachmittag als Hund. Dies berichtet die Website „UK Business Insider“ auf Basis der Aussagen von David Pescovitz, dem Mitherausgeber der US-Website „Boing Boing“ und Forschungsdirektor am Zukunftsinstitut in Palo Alto.

Um überhaupt Aussagen für einen so langen Zeitraum machen zu können, müsse man zuerst einmal die grundlegende Aufgabe von Bibliotheken verstehen, so Pescovitz. Und die bestünde, so der Forscher weiter, im Kern darin, den Zugriff auf Wissen zu ermöglichen. Das besondere Kennzeichen für die Bibliothek der Zukunft sei Hyperkonnektivität, die unsere weiter voranschreitende Bindung an soziale Medien, Streaming und Daten aus öffentlichen Quellen reflektiere (siehe hierzu auch http://trends.ifla.org/hyper-connected-societies). Das Makerspace in der Bibliothek der Zukunft sieht der Experte beispielsweise im Schaffen genetisch manipulierter Mikroben.

Beständigkeit sieht Peskovitz jedoch bei der Notwendigkeit einer Beratung und Begleitung in der Bbliothek 2056, lässt aber offen, ob diese Aufgabe durch Menschen wahrgenommen werden wird: „Pescovitz suspects that humans will always need some sort of guide to make a foreign landscape more familiar. Whether humanity turns that job into one for artificial intelligence is another matter, he says.“

„Wir reden sehr viel über Informationen und das Informationszeitalter. Ich denke jedoch, Menschen in der Zukunft werden eher nach Wissen und Weisheit Ausschau halten“, so die Einschätzung des Forschers.

Link: http://uk.businessinsider.com/libraries-of-the-future-2016-8?r=US&IR=T

Beitrag / Übersetzungen von Andreas Mittrowann