Archiv für den Monat August 2017

Die „Filia Nr. 12“ – eine neue Zweigstelle der Stadtbibliothek Wrocław (PL)

Das heutige Wrocław mit seinen über 600.000 Einwohnern präsentierte sich im Rahmen des diesjährigen Weltkongresses der Bibliotheken vom 19. bis zum 25. August als freundliche, offene Stadt mit einer gelungenen Mischung aus historischer Altbausubstanz und modernen architektonischen Kontrapunkten. Die positiven Auswirkungen aus der letztjährigen Rolle als „Kulturhauptstadt“ waren noch deutlich positiv spürbar.

Im Rahmen des Kongresses hatte ich die Möglichkeit, die im Mai 2017 im zweiten Stockwerk des Breslauer Hauptbahnhofes eröffnete neue Zweigstelle der Stadtbibliothek zu besuchen. Die Filiale umfasst 580 qm und verfolgt das Ziel, Reisende und Pendler direkt an einem der wichtigsten Verkehrsknotenpunkte mit Medien, Literatur und Informationen zu versorgen. Die Innenraumgestaltung folgt diese Zielsetzung konsequent und präsentiert sich als „Dritter Ort“ im Zentrum der Stadt mit bequemen Sofas, Loungemöbeln, Arbeitsplätze und Nischen, um mitten im urbanen Leben einen Platz für Konzentration, Lernen und Entspannung zu schaffen. Eine große Uhr hinter der Verbuchungstheke steht einerseits als Symbol für den Bahnhof und seine Betriebsamkeit, andererseits aber durch ihren Stillstand für den selbstgewählten Moment der Ruhe. Auch die Bezeichnung der Räume verfolgt den Gedanken des zweiten Zuhauses durch seine Bezeichnungen wie „Diele“, „Küche“ oder  „Wohnzimmer“.

Es war schön zu sehen, dass die Stadtbibliothek und die Kommune den mit der Jugendbibliothek „Mediateka“ im Jahr 2004 gemeinsam mit der Bertelsmann Stiftung begonnenen Prozess einer zielgruppenorientierten Raumgestaltung fortgesetzt haben.

Persönliche Fotos finden Sie hier: https://flickr.com/photos/67365955@N02/sets/72157685656850823

Beitrag von Andreas Mittrowann

Cortana, kannst Du Kunden beraten? Künstliche Intelligenz und Bibliotheken (3)

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Von Benutzer:iToms – Eigenes Werk, PD-Schöpfungshöhe, https://de.wikipedia.org/w/index.php?curid=8865353

In dieser Folge unserer kleinen Sommerreihe wollen wir uns mit ein paar der bereits heute bestehenden Möglichkeiten zum Einsatz Künstlicher Intelligenz beschäftigen. Ein wichtiges Beispiel sind dabei die Möglichkeiten, die sich im Empfangsbereich der Bibliothek und bei einfachen Auskünften bieten. Die bibliothekarische Information hat sich in den letzten Jahren bereits auf vielfältige Weise diversifiziert und um Möglichkeiten wie Auskunft per Mail, Chat oder WhatsApp erweitert. Bibliotheken und Hotels lassen sich nicht direkt vergleichen, verfügen aber beide über eine „Empfangssituation“,  in der sich durchaus einfache Auskünfte (zum Beispiel die in manchen Häusern aufgrund der baulichen Situation häufige Frage nach den Toiletten) oder Standardvorgänge wie die Anmeldung auch auf andere Weise erledigen lassen. Japan ist hier ganz klar in der Vorreiterrolle, denn dort nimmt die Zahl der Hotels mit Robotern am Empfang deutlich zu. Zimmerbuchung, Einchecken und einfache Auskünfte werden dort bereits auf diese Weise erledigt. In Deutschland testet unter anderem bereits die Bibliothek der FH Wildau einen Roboter für diesen Einsatzzweck. Philip Calvert von der School of Information Management an der Victoria University in Wellington / Neuseeland fasst das Thema in seinem Beitrag „Robots, the Quiet Workers, Are you Ready to Take Over“ zusammen (Public Library Quarterly, 2017/2).

Eine weitere Variante der computergestützte Information sind die sogenannten „Chatbots“: Algorithmen, die durch Zugriff auf riesige Datenbibliotheken in der Lage sind, Vorgänge im direkten Austausch mit dem User zu erledigen. Dabei kann es sich um eine Flugbuchung, eine Pizzabestellung oder eben um eine Auskunft im Zusammenhang mit Bibliotheksservices handeln – von der Öffnungszeit über die Buchung eines Raums bin hin zu einfachen Sachauskünften. In China ist dies im Alltag bereits über die App „WeChat“ auf vielfältige Weise möglich, beispielsweise die Änderung von Bankdaten. Einige Experten sagen bereits das Aussterben von Apps und Websites zugunsten von ChatApps voraus.

Natürlich können Fehler der Maschinen bei diesen Auskunftsformen nie ausgeschlossen werden. Yuval Noah Harari bringt in seinem aktuellen Buch „Homo Deus – A brief history of tomorrow“ allerdings ein Gegenbeispiel aus der Welt der Apotheken: „In 2011 a pharmacy opened in San Francisco manned by a single robot. When a human comes to the pharmacy, within seconds the robot receives all of the customer’s prescriptions, as well as detailed information about other medicines taken by them, and their suspected allergies. The robot makes sure the new prescriptions don’t combine adverselynith any other medicine or allergy, and then provides the customer with the required drug. In its first year of operation the robotic pharmacist provided 2 million prescriptions, without making a single mistake. On average, flesh-and-blood pharmacists get wrong 1.7 per cent of prescriptions. In the United States alone this amounts to more than 50 million prescription errors every year!“

Was sagt uns das alles für die Zukunft der Bibliotheken? Meine Einschätzung: Wenn Technologie auch im Bereich der Auskunft und Information eine immer stärkere Rolle einnehmen wird, spielt der Kontakt von Mensch zu Mensch eine umso größere Rolle. So wie wir erleben, dass gedruckte Bücher und echte, physische Räume für viele Bibliotheksbesucher eine immer noch oder erneut wichtige Rolle in einer zunehmend digitalisierten Welt spielen, so werden wir insbesondere bei der Auskunft sehen, dass menschlicher Austausch ein geschätztes und besonderes Gut bleiben wird – dies zeigt beispielsweise die Allensbach-Umfrage zur Zukunft der Bibliotheken, bei der „Gute fachliche Beratung, geschultes Personal“ auf Platz 3 bei den wichtigsten Erwartungen an Bibliotheken landeten (S. 11, Schaubild 4). Den Auskunfts-Alltag aber erledigen in Zukunft stärker als heute Chatbots und Roboter.

Beitrag von Andreas Mittrowann